Ivan Slavík

1920–2002

Der Dichter Ivan Slavík wurde 1920 in Prag geboren und stammte aus einfachen Verhältnissen. Er verbrachte seine Kindheit zum großen Teil auf dem Land bei seiner Großmutter, deren Armut ihm früh einen Begriff von den zentralen christlichen Werten der Demut und Entsagung vermittelte. Ursprünglich konfessionslos, wandte er sich vor der Matura der evangelischen Kirche zu, bis er mit fünfundzwanzig Jahren zum katholischen Glauben konvertierte, der sein gesamtes Werk bis in die Spätphase hinein prägt. Trotz der unsicheren wirtschaftlichen Lage seiner Eltern konnte er zu Beginn des Zweiten Weltkriegs ein Studium (Bohemistik, Französisch und Philosophie) an der tschechischen Prager Karlsuniversität aufnehmen. Die Schließung der Hochschule während der Protektoratszeit zwang ihn jedoch, seine Ausbildung erst nach 1945 zu beenden. Bis zum Kriegsende war er zur Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie eingesetzt.

Bereits vor seinem Universitätsabschluß arbeitete er als Redakteur bei der angesehenen katholischen Revue Vyšehrad, die nach dem kommunistischen Putsch von 1948 nicht mehr erscheinen konnte. Im Februar dieses Jahres übernahm Slavík in Prag die Stelle eines Mittelschullehrers, mußte sie jedoch infolge des Umsturzes aufgeben. Unmittelbar nach Kriegsende war er als Mitglied der sogenannten „Verstreuten Generation katholischer Dichter“ in die Literatur eingetreten. Doch unter kommunistischer Herrschaft konnte diese lose Vereinigung nicht mehr bestehen: Die Autoren wurden eingesperrt, in die Emigration gezwungen oder auf Dörfer und Kleinstädte verteilt. So wurde Ivan Slavík in die südböhmische Provinz, an das Gymnasium der Kleinstadt Domažlice (Taus) nahe der bayrischen Grenze abgeschoben. Nach vier Jahren versetzte man ihn nach Hořovice (Horschowitz), der Geburtsstadt seiner Frau, wo er an der Gewerbeschule und nach deren Auflösung etwa zehn Jahre am örtlichen Gymnasium unterrichtete.

Der Autor einer bereits stattlichen Anzahl von Publikationen wurde quer durch das politische Spektrum abgelehnt, so daß seine Werke nur nach langen Pausen und Zäsuren, besonders in der Zeit des ideologischen Tauwetters, 1968 im sogenannten „Prager Frühling“, oder in bibliophilen Ausgaben bzw. illegalen Samizdat-Editionen erscheinen konnten. Sie wurden marginalisiert und nur widerwillig geduldet.

Als Übersetzer konnte Slavík allerdings arbeiten. Er vermittelte seinen Landsleuten Werke aus dem Englischen, Französischen, Deutschen, Spanischen und Russischen sowie aus den Sprachen Aztekisch und Maya. Er übertrug zum Beispiel Dichtungen Paul Claudels, Charles Péguys und Gerard Manley Hopkins’, dreier Vertreter der modernen spirituellen Poesie, sowie das Schrifttum der Indios und vorkolumbianischen Zivilisationen ins Tschechische.

Slavík war auch als Essayist tätig und veröffentlichte Beiträge in verschiedenen Zeitschriften, schrieb Nachwörter und Buchklappentexte, wobei er sich zeit seines Lebens besonders den Gestalten verkannter, vergessener oder verbannter Dichter zuwandte. Nach dem demokratischen Wandel in seiner Heimat 1989 konnten diese Texte in selbständigen Bänden erscheinen.

Editorisch wie auch als Interpret widmete er sich den Werken seiner Generationsgefährten, insbesondere den jungen tschechischen Dichtern spiritueller Lyrik, die er in den Nachkriegsjahren als Sprecher vertreten hatte.

Sowohl in der Heimat als auch im Exil (USA) erfuhr sein Schaffen durch geistliche und literarische Auszeichnungen dennoch eine späte Würdigung. Darüber hinaus wurde Slavík für seine Übersetzungen mit Preisen des tschechischen Kulturministeriums und einzelner Verlage geehrt.

Der Band Sonate der Hoffnung gibt der deutschsprachigen Leserschaft Gelegenheit, diesen bedeutenden tschechischen Meister zu entdecken.

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